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Bewährung oder Haft? Sprengstoff-Hersteller wird begutachtet

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Der brisante Fall eines Mannes aus Woldegk an der Mecklenburgischen Seenplatte, der sich in einem Mehrfamilienhaus über zweieinhalb Jahre mit Sprengstoffherstellung befasste, beschäftigt weiter die Justiz. Nach der Verurteilung zu einer 22 Monate langen Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht hatte der Anwalt des 34-Jährigen Berufung eingelegt, weil er eine Aussetzung der Strafe auf Bewährung erreichen will. Nun soll ein forensischer Gutachter das entscheidende Wort in dem Verfahren haben: Das Landgericht Neubrandenburg setzte den Berufungsprozess jetzt aus, weil der psychiatrische Fachmann mehrere Monate für die Arbeit mit dem derzeit arbeitslosen Landmaschinenschlosser braucht.

„Es ist unklar, ob Sie eingeschränkt oder voll schuldfähig sind“, sagte der zuständige Richter Jochen Unterlöhner in Neubrandenburg. Geprüft werden müsse auch, ob der Angeklagte nicht auch besser in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden oder lieber eine Therapie im Rahmen der Bewährung machen müsste.

Dem Bastler, der zehn Schulklassen absolviert hat und ansonsten als zurückgezogener Einzelgänger gilt, waren vor allem Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz vorgeworfen worden. Der reuige Mann hat alles zugegeben, sogar mehr, als die Polizei je hätte ermitteln können.

Gavel, symbol of judicial decisions and justiceSeit 2013 hatte er immer wieder herkömmliche Substanzen im Internet bestellt, aus denen man explosive Mischungen herstellen konnte. 50 Mal hat er das im Freien auch ausprobiert und auch gefilmt. Dabei hatte er noch Glück, dass er nicht auch dafür angeklagt wurde, dass er bei seinen Sprengungen im Freien und einmal auch auf einem Firmengelände niemand zu Schaden kam. Die „Rezepte“ dafür könne man im Internet einfach runterladen, erklärte der Woldegker freimütig.

Als sein explosives Hobby im Februar des Vorjahres aufflog – ein Experiment war schiefgegangen und es qualmte stark – hatte der Mann fast 200 Kilogramm Haushaltschemikalien, Dünger und andere Substanzen in seiner Einraumwohnung im dritten Stock versteckt. Im Kühlschrank fanden die Ermittler bereits mehrere hochbrisante Sprengstoffmischungen, darunter auch Nitroglycerin – in einer Küstennebel-Flasche.

Stundenlang wurde der Neubau im Februar 2016 evakuiert, um die gefährlichen Substanzen zu bergen. Sogar eine „Bombe“ als Spezialtransportmittel der Munitionsberger für hochexplosive Stoffe rückte an. Eine Analyse der explosiven Mischungen war zu gefährlich: Sie wurden vernichtet.

„Da habe ich wohl etwas die Übersicht verloren“, sagte der Verurteilte vor Gericht. Sein Ziel sei am Ende gewesen: „Ich wollte einmal ein Kilo Sprengstoff herstellen“. Kurz vorher hatte er sich noch selbst stark am Arm verbrannt: Er hatte „richtige“ Silvesterböller herstellen wollen.

Verteidiger Jörg Fenger hofft, dass sein Mandant auch mit dem Gutachten, wegen der Geständnisse und einer „positiven Sozialprognose“ – es heißt, er habe auch wieder einen Job in Aussicht – mit Bewährung rechnen kann. Das hatte das Amtsgericht Neubrandenburg im September noch anders gesehen: Die Strafe soll potenzielle Nachahmer abhalten und könne deshalb nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, hieß es.
Allerdings will in diesem speziellen Fall bisher auch die Staatsanwaltschaft nur eine Bewährungstrafe. Daran ist Berufungsrichter Unterlöhner aber nicht gebunden.


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