Der Weg war eigentlich nicht lang: Zu Fuß vom Papenberg zur Kuhtränke sind es vielleicht 15 Minuten, aber der junge Mann nahm trotz Alkohol und Cannabis-Konsum das Auto. Diesen Einfall vom 16. April hat ein 67 Jahre alter Mann mit dem Leben bezahlt. „Und es waren noch andere Passanten da, die gefährdet waren“, sagte Richterin Alexandra Sprigode-Schwencke am Mittwoch am Amtsgericht mit Blick auf Gäste des nahen Hotels und viele Fußgänger, die an dem Abend eigentlich nur einen schönen Sonnenuntergang an der Müritz sehen wollten.
Jetzt, sieben Monate später hat sich der 28-Jährige seiner Verantwortung vor Gericht gestellt. Das Verfahren dauerte fast sechs Stunden und endete mit einer Haftstrafe. Zweieinhalb Jahre Freiheitsentzug hält das Gericht für die „fahrlässige Tötung“ für angemessen. Dabei machte die Richterin klar: Dies war kein Unfall, wie er allen durch eine Fahrlässigkeit mal passieren kann: Dieser Fall hatte eine andere Qualität. Fast regungslos mit dem Blick auf den Tisch gerichtet wie auch vorher nahm der 28-Jährige das Urteil entgegen.
Der Fall hat eine Vorgeschichte: Den Führerschein hatte der Warener schon Mitte 2015 abgeben müssen, weil er schon Ende 2014 mit Cannabis-Konsum am Steuer ertappt worden war. Das war nicht Warnung genug: Vor Gericht gab der Ex-Hauptschüler zu, weiter Cannabis konsumiert und trotzdem weiter sein Auto gefahren zu sein. Er habe gedacht, ohne Auto hätte er seine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker in einem Beschichtungsbetrieb nicht abschließen können. Das habe er inzwischen geschafft. Die Schule war bei Berlin.
Am Unfalltag war der Unfallfahrer mit Freundin und Kind bei einer Grillparty in einem Dorf bei Waren. Dort habe es Bier und Pfefferminzlikör gegeben. Normalerweise trinke er nicht viel Alkohol. Seine Freundin habe das Auto gegen 18 Uhr nach Waren gefahren. Schließlich sei er „nochmal mit dem Hund runtergegangen“.
Daraus entstand das tödliche Unglück. Das Auto fuhr in der Kurve an der Kuhtränke rund 90 Stundenkilometer, errechnete ein Gutachter. Beim Aufprall auf den Bordstein zerbarsten erst die rechten Alu-Felgen, danach die beiden linken Felgen und alle Reifen waren platt. Fast manövrierunfähig raste der Wagen nicht gerade weiter in die Müritz, sondern zog nach links, wo er den Fußgänger erfasste, drei Autos demolierte und gegen mehrere Bäume prallte. „Die Spur der Trümmer war 59 Meter lang“, sagte der Gutachter.
Ein Berliner sagte als Zeuge, dass an der Unfallstelle noch andere Menschen, darunter seine beiden Kinder, in Gefahr gewesen seien. Dem Unfallfahrer, der äußerlich unverletzt war, war wohl schon dort bewusst, was er verursacht hatte. „Er saß da und hat gesagt, er hat alles falsch gemacht“, sagte ein anderer Zeuge. Als die Retter kamen, bekam der Unfallfahrer wegen Schocks ein Beruhigungsmittel. Auch daran könne es liegen, dass er kaum Erinnerungen an den Unfall habe, meinten zwei Mediziner. Knapp zwei Stunden nach dem Unfall wurden 1,5 Promille Alkohol gemessen.
Besonders tragisch dabei: Der Getötete war 67 Jahre alt und für seinen Lebensabend erst wenige Wochen vorher aus der Region Stuttgart an die Müritz gezogen. Zwei Söhne traten als Nebenkläger vor Gericht auf, um dem Unfallfahrer gegenüberzutreten. Mit dem Urteil folgte die Richterin dem Antrag der Nebenkläger. Der Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre Haft ohne Bewährung, der Verteidiger eine Bewährungsstrafe für seinen Mandanten verlangt. Dieser hat sich gleich nach dem tödlichen Unfall in psychiatrische Behandlung begeben, um das Drogenproblem in den Griff zu kriegen und damit klarzukommen, einen Menschen getötet zu haben
Die „positive Sozialprognose“, wie Verteidiger Sönke Brandt anführte, – er hat auch seine feste Arbeit behalten – rechtfertige aber keine Bewährung, meinte die Richterin. Schon zur „Bewahrung des Rechtsfriedens“ könne es keine Bewährung geben. Denn schon zum Unfallzeitpunkt habe der 28-Jährige Freundin und Kind gehabt. Der Verurteilte, dessen Freundin ein weiteres Kind erwarten soll, hat nun noch die Chance, in Berufung zu gehen. Bei den Söhnen entschuldigte er sich am Schluss der Verhandlung: „Es tut mir wahnsinnig leid, was ich da verbockt habe.“